Harald Werner - Alles was links ist
 

 

Verfolgt – eingesperrt - abgeschoben

Nach einer Untersuchung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 2.394 Asylbwerber*innen in 2016 gaben 70 Prozent als Fluchtgrund Angst vor gewaltsamen Konflikten und Krieg an, 44 Prozent flohen vor Verfolgung und nur 39 Prozent führten als Grund schlechte persönliche Lebensbedingungen an. Wer die Nachrichten über Krieg und Bürgerkrieg, die bis zur Unkenntlichkeit zerbombten Syrischen Städte oder die Hungersnöte und Massenvergewaltigungen in Afrika zur Kenntnis nimmt, kann eigentlich nicht mehr, wie Sahra Wagenknecht von Arbeitsmigranten sprechen. Auch dürfte die Tatsache nicht übersehe werden, dass die Länder im Nahen Osten, gemessen an ihrer Bevölkerungsgröße, ein Vielfaches an Flüchtlingen aufnehmen und die globalen Fluchtbewegungen in der übrigen Welt generell größer sind, als das was wir momentan in Europa erleben.

 

Besonders schlaue Flüchtlingsspezialisten votieren inzwischen für Sammellager in Afrika. wie sie bereits in Libyen existieren. Tatsächlich sind immer mehr „Bewohner“ dieser Lager aus guten Grünen bereit, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren, weil sie in diesen Lagern vom Regen in die Traufe geraten sind. Auf die gleiche Weise, wie Menschenhändler bereits aus der Not der Flüchtenden eine Geschäftsidee gemacht haben, sind auch diese Sammellager zu einem Ort geworden, wo gefoltert, vergewaltigt und Lösegeld erpresst wird. Der Flüchtlingshelfer und Grünen Politiker Erik Marquardt berichtete kürzlich von einem jungen Mann, der „während der Folter seine Mutter anrufen musste, die die schmerzhaften Schreie ihres Sohnes während der Elektroschocks so lange anhören musste, bis sie bereit war, ihr Haus zu verkaufen und ihn freizukaufen, damit er nicht getötet wird.“[1]

 

Noch muss in Deutschland kein Flüchtling fürchten, ins Lager zu wandern, doch das Asylrecht steht bereits auf wackligen Füßen. Schuld daran sind weniger Behörden oder Gerichte, als ausgerechnet die Politik. Nicht nur die AfD, sondern vor allem die Vielsprecher der Union, betreiben nach Meinung der evangelischen Presse eine einzigartige Verrohung der in der Asyldebatte verwendeten Sprache.[2] Markus Söder spricht von „Asyltourismus“, womit er die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge gewissermaßen zu leichtsinnigen Urlaubern machte. Andererseits verwandelte sie der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zu einer Art Naturkatstrophe als er Merkel vorwarf, das Land widerrechtlich mit Hunderttausenden Flüchtlingen „geflutet“ zu haben.[3] Mit derartiger Spracharbeit wird ein Klima geschaffen, in dem das Schließen von Grenzen und zügige Abschiebungen zur Gefahrenabwehr hochstilisiert werden.

 

Phantomschmerzen im Schrebergarten

Nach Angaben der Bild-Zeitung lagen die deutschen Kosten für Flüchtlinge im vergangenen Jahr, einschließlich aller Folgekosten bei 20,8 Milliarden Euro. Trotzdem konnten die öffentlichen Haushalte im gleichen Jahr einen Überschuss von 36,6 Milliarden erzielen, so dass man angesichts eines solchen Überschusses durchaus von Phantomschmerzen sprechen darf. Und das vor allem auch, weil immer mehr Ausgaben der Flüchtlingshilfe eigentlich produktive Investitionen in den Wirtschaftsstandort sind. Nach einer Studie der OECD, der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, haben Flucht und Migration ohnehin nur wenig Einfluss auf den deutschen Arbeitsmarkt, haben, stellten aber gleichzeitig fest, dass die Integration von Flüchtlingen positive Auswirkungen für die Wirtschaft hat.

 

Hatte man 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, noch zwei Milliarden Euro für Soforthilfe, Unterbringung und Verwaltungsaufgaben ausgegeben, waren es im vergangenen Jahr nur noch gut eine Milliarde, weil immer mehr Mittel für die Integration ausgegeben werden. Doch die Politik scheint in dieser Hinsicht das Land mit einem Schrebergarten zu verwechseln: Man bilanziert was am Ende des Jahres rauskommt und nicht was man in die Zukunft investieren muss. Nach Angaben des BAMF sind mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge unter 27 Jahre, haben 20,4 Prozent ein Gymnasium besucht und haben 17,8 Prozent einen Hochschulabschluss mitgebracht. Eine Zusammensetzung, die weit über den entsprechenden Daten der deutschen Bevölkerung liegt.  

 

Harald Werner 22.6.2018

 


[1] „Ich schäme mich“ DER Tagesspiegel 20. Juni 2018, S.3

[2] www.evagelisch.de /18-06-2018

[3] Ebenda


[angelegt/ aktualisiert am  22.06.2018]