Harald Werner - Alles was links ist
 

Die grüne Angst vor der Umverteilung

Die letzte Bundestagswahl endete für die GRÜNEN mit einem Einbruch: Sie verloren 2,3 Prozentpunkte und landeten mit 8,4 Prozent knapp hinter der LINKEN. Für die Realos war schon in der Wahlnacht klar, dass die Schuld beim angekündigten Steuermodell zu suchen war, das eine deutliche Umverteilung von oben nach unten vorsah. Die grüne Steuerpolitik ging auf Tauchstation und keiner mehr wagte, über die beabsichtigte Wiedererhebung  der Vermögensteuer zu sprechen. Die Grabesstille beendete nun Anton Hofreiter, offenbar auch, weil sich der Vorsitzende der Bundestagsfraktion als Spitzenkandidat bei der kommenden Bundeswahl platzieren möchte. Das dürfte ihm nicht leicht fallen, denn der Gegenwand aus den Landesverbänden ist erheblich, besonders aus Baden – Würtemberg, von wo aus der grüne Ministerpräsident längst schon die Richtlinien der Politik bestimmt. Auch Boris Palmer der grüne Oberbürgermeister von Tübingen verkündete flugs:“… als Baden-Württemberger kann ich Schaden für unseren starken Mittelstand nicht mittragen.“[1]

 

Es geht um 10 Milliarden Euro

Was in der Debatte stets unter den Tisch fällt ist die Tatsache, dass es nicht um eine Wiedereinführung oder gar Einführung einer Vermögensteuer geht, sondern ausschließlich um ihre Wiedererhebung, denn die Steuer wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995 von der Bundesregierung 1997 lediglich ausgesetzt, weil das oberste Gericht die Besserstellung des Immobilienvermögens gegenüber dem Produktions- und Geldvermögen beanstandet hatte. Seit dem wird der Eindruck erweckt, als ginge es nicht um eine alte, seit langem bestehende Steuer, sondern eine zusätzliche Belastung des Kapitals, das übrigens damals, durch die Absenkung des Spitzensteuersatzes auf nur noch 42 Prozent, zusätzlich entlastet wurde. Durch das Aussetzen der Vermögensteuer, die Senkung des Spitzensteuersatzes und weitere Steuergeschenken an Unternehmen und Besserverdienende, fehlen dem Fiskus seit dem jährlich rund 100 Milliarden Euro.

Nach einer Untersuchung des DIW würde allein die Wiedererhebung der Vermögensteuer zusätzliche Steuereinnahmen von 10 Milliarden Euro einbringen. Trotzdem würden nur größere Vermögen ab 2 Millionen Euro pro Person besteuert und nur 307.000 natürliche und juristische Personen betroffen sein. Auch der häufig geäußerte Einwand, dass die Erhebungskosten der Vermögensteuer den letztendlichen Ertrag auf einen vernachlässigenswerten Rest zusammenschrumpfen ließen, wurde vom DIW verworfen. Es schätzte die Vollzugskosten auf nur 1,8 Prozent des Steueraufkommens aus der Vermögensteuer.[2]

 

Grüner Neoliberalismus pur

Was sich die grünen Gegner der Vermögensteuer als Alternative zur „Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit“ ausgedacht haben, liest sich wie der Satz aus einem Lehrbuch neoliberaler Ökonomen. So schreiben Thomas Gambke und Kerstin Andreae: "Kampf gegen Ungleichheit heißt vor allem, Geringverdienern den Vermögensaufbau zu erleichtern". Wie die Millionen, denen meistens das Notwendigste für ein menschwürdiges Leben fehlt, Geld für den Vermögensaufbau abzweigen sollen, ist ihnen dabei nicht eingefallen. Besonders kurios und wohl auch weltfremd ist ihr Vorschlag, etwas bei der Einkommensteuer für Gering- wie für Spitzenverdiener zu ändern. [3] Erstens zahlt die Masse der Geringverdiener überhaupt keine Einkommensteuer, weshalb man sie da auch nicht entlasten kann und zweitens ist es mehr als kurios, von Veränderungen an der Enkommensteuer für Spitzenverdiener positive Folgen für die Geringverdiener zu erwarten. Immerhin sind die beiden Grünen auch für die „Schaffung staatlich geförderter Bürgerfonds für Bezieher niedriger Einkommen um die Chance zum Vermögensaufbau zu verbessern.“[4] Was jedoch nichts anderes heißt, als dass nicht die reichsten der Reichen den Vermögensaufbau der Geringverdiener unterstützen sollen, sondern die überwiegend von den Lohnabhängigen finanzierten öffentlichen Haushalte.

 

Ach ja, und die SPD…

Sigmar Gabriel hat mit seinem jüngsten gemeinsamen Auftritt mit der Putzfrau Susanne Neumann aus Gelsenkirchen das Thema soziale Gerechtigkeit, das längst eingemottet schien, zum Markenkern der SPD erklärt. Was er da am 9. Mai im Willy-Brandt-Haus vortrug, war nicht weniger als ein fulminanter Salto mortale. Doch die von der SPD unter Schröder verübten sozialen Grausamkeiten sind nicht vergessen, weshalb auch Susanne Neumann schlicht feststellte:  "Warum soll ich eine Partei wählen, die mir dat eingebrockt hat…“[5] Obwohl man fast den Eindruck gewinnen konnte, als wäre mindestens von der radikalen Wende Gabriels ein Sonnenstrahl zur Wiedererweckung des rot-rot-grünen Projekts zu erwarten, scheinen Millionen so zu denken wie die prominente Gelsenkirchener Putzfrau. Die SPD ist trotz Gabriels Salto mortale auf den schlechtesten Wert gefallen, den sie jemals in der BRD bei Bundestagswahlen oder Umfragen hinnehmen musste. Das rot-tot-grüne Projekt liegt knapp über 40 Prozent und SPD plus Linke liegen um vier Prozentpunkte hinter der CDU. 

Harald Werner 21. Mai 2016

 


[1] Der Tagesspiegel, 20.5.16

[2] Stefan Bach, Martin Beznoska, DIW Wochenbericht Nr. 42.2012.

[3] Süddeutsche Zeitung 20.5.2016

[4] Ebenda

[5] Süddeutsche Zeitung, 9. Mai 2016


[angelegt/ aktualisiert am  21.05.2016]