Harald Werner - Alles was links ist
 

Ungleichheit ist kein moralisches,

sondern ein ökonomisches Problem

Nach christlicher Moral haben die Reichen die Pflicht, von ihrem Reichtum an die Armen abzugeben. Woher dieser Reichtum stammt, darüber sagt man nichts. In den „christlichen“ USA ist es ein übliches Verfahren, durch großzügige Spenden mit einer gewissen Chance ins Paradies zu kommen. Bill Gates, Mike Zuckerberg oder Georg Soros tun in dieser Hinsicht ihr Bestes und machen Milliarden locker, um kulturelle, ökologische oder auch soziale Projekte zu fördern. In der Regel werden sie dazu durch Steuereinsparungen motiviert, die dem Staat allerdings die Mittel rauben, um seine Pflichtaufgaben zu erfüllen. Gleichzeitig haben die wirklich Reichen nach einschlägigen Untersuchungen 7,6 Billionen US-Dollar in Steueroasen angelegt. Das ist mehr als das Bruttosozialprodukt Deutschlands und Großbritanniens zusammen.[1] Außerdem wirft sich natürlich die Frage auf, wie es kommt, dass nur 62 Menschen über die Hälfte des Weltvermögens an sich bringen konnten. Vor allem aber welche Konsequenzen diese horrende Ungleichheit für die globale Entwicklung hat. Da Reichtum ausschließlich durch die Abschöpfung von Mehrwert entsteht und dieser durch lebendige Arbeit geschaffen wird, ist die Kehrseite wachsenden Reichtums die Ausbeutung von Lohnarbeit - egal ob im reichen Norden oder im armen Süden. Jedes Prozent, das den Reichtum vermehrt, verringert den Anteil der Lohnarbeit. Aber auch das ist kein moralisches Problem, sondern ein ökonomisches, weil ein sinkender Lohnanteil die Massennachfrage einschnürt – also die entscheidende Triebkraft aller Volkswirtschaften ausbremst. Zwar sind auch die Investitionen des Kapitals Nachfrage, aber sie produzieren keinen Mehrwert, so lange sie nicht durch Lohnarbeit in Gang gehalten und vor allem auch gekauft werden können.

 

Wie die Globalisierung das Kapital retten hilft

Im Prinzip gräbt sich das Kapital durch die Begrenzung der Löhne und die deshalb schrumpfende Nachfrage, selbst das Wasser ab. Allerdings hat das Kapital zahlreiche, und mit der Globalisierung steigende Möglichkeiten, seinen Profit aus anderen Quellen zu schöpfen: Als erstes durch Steuerersparnis, staatliche Subventionen, Senkung der Rohstoffpreise und die Monopolisierung von Märkten. Doch alle diese Strategien haben zahlreiche negative Folgen, vor allem für die weniger entwickelten Länder. Denn jede dieser Strategien stützt sich auf ungleiche Handelsbeziehungen, unmenschliche Arbeitsbedingungen, meistens auf ebenso korrupte wie diktatorische Regierungen und letztlich auf militärische Macht. Der reiche Norden braucht Militär um seine Handelswege zu schützen und im armen Süden kämpfen die ausgebeuteten Länder immer mehr gegeneinander um regionale Oberheit.

Die weltweit daraus entstandenen militärischen Konflikte sind eigentlich Stellvertreterkriege, in denen ebenso die Großmächte, wie auch die Golfstaaten, die Türkei und der Iran um wirtschaftliche Einflusssphären kämpfen. Nicht immer selbst, sondern durch Finanzierung und militärische Ausrüstung von Milizen, die von den einen Befreiungskräfte und den anderen Terroristen genannt werden. Und natürlich ist immer Deutschland als profitierender Waffenhändler im Spiel.

Man wird den oben genannten Milliardären keine direkte Einflussnahme auf all diese Folgen nachsagen können, aber ihr global wirkendes Geschäftsmodell ist die eigentliche Ursache für die zunehmende Ungleichheit, die sich daraus ergebenden militärischen Konflikte, die Entvölkerung ganzer Regionen und mithin die weltweit wachsende Zahl von Flüchtlingen. Das dahinter steckende Geschäftsmodell der reichsten unter den Reichen ist ebenso effizient wie gnadenlos, obendrein aber auch über jeden moralischen Zweifel erhaben, weil die explodierenden Profite nicht als Ergebnisse von Ausbeutung und Ausplünderung erscheinen, sondern als das Produkt mathematischer Algorithmen und superschneller Computer. Die Schmutzarbeit machen andere.

 

Die Verwandlung der Welt in ein Warenlager            

Die Haupttriebkraft des explodierenden Reichtums ist die endgültige Verwandlung aller menschlichen und natürlichen Ressourcen in eine Ware. Das betrifft ebenso die öffentlichen Güter des Gemeinwesens wie Boden, Wasser und Atmosphäre, bis hin zu dem Irrsinn, dass sich das Recht zur Verpestung der Luft in Profit verwandeln lässt. Womit wir zu einem weiteren Grund des global wachsenden Flüchtlingselends kommen. Die Verwandlung von immer mehr Naturreichtümern in eine Ware trifft vor allem die unterentwickelten Länder, weil sie selten mehr als landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe anzubieten haben. Afrika ist ein trauriges Beispiel dafür, wie die Plünderung seiner Rohstoffe und Naturressourcen nicht nur die betroffenen Länder ärmer, sondern sie auch unbewohnbar macht. Die landwirtschaftliche Lebensweise wird zerstört, die Multis fördern korrupte Eliten, die ihnen die Ausplünderung der Naturressourcen gestatten und ihre Länder gleichzeitig in Steueroasen verwandeln. Nach Oxfam gehen den Entwicklungsländern auf diese Weise jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen verloren.[2] Hinzu kommt, dass Afrika von der EU mit subventionierten Lebensmitteln überschwemmt wird, was die heimische Landwirtschaft ruiniert und die arbeitslos gewordenen Bauernfamilien in die Städte oder eben in die Flucht treibt. Das verlassene Land aber wird zu Niedrigpreisen an multinationale Lebensmittelkonzerne verscherbelt, so dass sich auch hier wieder zeigt, wie die Bereicherung der einen zur Verarmung der anderen führt.

Wie im Vorderen Orient zerfallen die Staaten oder werden unregierbar, die Macht geht an Terrormilizen über und es werden Stellvertreterkriege geführt. Der Westen organisiert so genannte Friedensmissionen, bei denen in der Regel nur der eine Diktator gegen den anderen Unterstützt wird, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass das eigentliche Problem die globale Ungleichheit und das Geschäftsmodell der Superreichen ist. Wobei es für Europa ein großes „Glück“ ist, dass die durch Bürgerkrieg und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen entwurzelten Millionen in andere Teile des Kontinents flüchten, weil sie kaum eine Chance zur Flucht in den reichen Norden haben.

Harald Werner, Januar 2016

Kommentieren:

 harald-werner-berlin@t-online.de


[1] Neues Deutschland, 19.1.2016, S.3

[2] ND vom 19.1.16, S.3


[angelegt/ aktualisiert am  29.01.2016]